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Ein Kommentar von triaguide Herausgeber Andreas Wünscher
Dass man sich Ende August/Anfang September 2020 über Vorgänge bei Triathlonbewerben streiten kann, ist grundsätzlich einmal sehr positiv und war nach der unerwarteten Corona-Situation im März gar nicht nicht so absehbar. Nach dem Ausbruch einer Pandemie und dem damit verbundenen Lockdown auf der ganzen Welt hätten Anfang Mai nicht viele darauf gewettet, dass wir im Jahr 2020 noch Triathlonveranstaltungen in Österreich erleben werden.
Doch es gab und es gibt sie – sie sind nicht ganz so, wie wir es gewohnt sind und wie wir sie lieben – doch es gibt sie – es ist Schwimmen, Radfahren und Laufen und es ist ein Wettkampf. Wir müssen uns nicht nur im Sport an strenge Regeln halten. Beim Betreten eines Supermarktes müssen wir einen Mund-Nasenschutz aufsetzen, wir können nicht unserer Lieblingsmannschaft im Stadion zujubeln und auch die Reisefreiheit ist nach wie vor eingeschränkt.
Bei einer politischen Führung, die zu Beginn an vieles richtig gemacht hat, aber nach und nach Fehler und Kollateralschäden zu verantworten hat, die nicht notwendig gewesen werden, ist es wichtig, mit guten Konzepten aufzuwarten. Ein umfangreiches und überlegtes Konzept haben unter Federführung des ÖTRV eine Gruppe von Funktionären, technischen Delegierten, Veranstaltern und Experten im April diesen Jahres ausgearbeitet. Ziel dieser stundenlangen Sitzungen war es, Richtlinien zu erstellen, die einen sicheren Ablauf eines Triathlonevents in Covid-Zeiten garantieren sollen.
Dieses Konzept war letztlich die Arbeitsgrundlage der Veranstalter, eine Guideline für einen verantwortungsvollen Ablauf und ein Argument bei so manch schwierigen Verhandlungen mit Behörden. Schon im Juli, zum Zeitpunkt der ersten wagen Lockerungsschritte, konnten mittelgroße Triathlonevents in Österreich auf dieser Grundlage reibungslos durchgeführt werden.
Die wohl umstrittenste Regelung, die nicht viel Liebe findet, sind dabei die Einzelstarts. Sie sollen eine Entzerrung des Feldes schon zu Beginn garantieren und die Sicherheitsabstände auch an kritischen Punkten, wie etwa den Wechselzonen, wahren. Bei IRONMAN-Veranstaltungen gibt es seit Jahren Rolling Starts, die auch in Nicht-Corona-Zeiten zum Alltag gehören. Also nichts völlig Neues. Doch nicht alle sind Fans von solchen Starts. Ich zähle auch nicht dazu und liebe das Duell „Mann gegen Mann“.
Doch in Zeiten wie diesen sollten und müssen wir uns alle einschränken und so halte ich den Einzelstart für eine sehr sinnvolle Maßnahme, die wir bei unserem eigenen Bewerb im Oktober auch umsetzen wollen. Alle Veranstalter hatten sich diesem vom ÖTRV ausgearbeiteten Konzept angeschlossen und das Rennen erfolgreich umsetzen können.
Einen anderen Weg hingegen gingen die Veranstalter des 1/10 Man in Vösendorf. Das Team rund um Georg Swoboda veranstaltet diesen Sprint-Triathlon, der genau ein Zehntel der IRONMAN-Distanz ausmacht, nun bereits seit einigen Jahren und der Bewerb ist zum Fixpunkt des Triathlonkalenders geworden.
Die Veranstalter, zu denen neben dem Team rund um Georg Swoboda auch der Bürgermeister von Vösendorf zählt, haben sich für einen anderen Weg entschieden. Sie ließen in 50er-Gruppen starten und hielten sich in diesem Punkt nicht an die vorgegebenen Maßnahmen des Triathlonverbandes, sodass dieser der Veranstaltung die Genehmigung als „offizieller“ Triathlonbewerb bereits rund zwei Wochen vor dem Event entzog.
Diese Genehmigung ist unabhängig von der behördlichen Genehmigung, somit waren die Veranstalter veranstaltungsrechtlich auf der „sicheren“ Seite. Doch aus „sportrechtlicher“ Sicht war die Veranstaltung nicht legal und nach dem Punkt und Strich der Regeln wären die ÖTRV-Lizenznehmer nicht startberechtigt gewesen.
In diesem Punkt war der ÖTRV bereits im Vorfeld deeskalierend und verlautbarte, dass kein Athlet mit einer Sperre oder Strafe zu rechnen hätte (ausgenommen wären Kaderathleten), wenn sie in Vösendorf starten.
Was nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass der Bewerb nicht von offiziellen Kampfrichtern kontrolliert wurde, die auch im Normalfall das sportliche Regelwerk des Bewerbs kontrollieren und exekutieren sollen.
Als beispielhafte Darstellung wähle ich eine andere Sportart. Stellt euch vor, ein Fußballverein würde mangels schnellen Stürmern beschließen, sich nicht an die Regeln der FIFA, UEFA oder des ÖFB zu halten und ein Meisterschaftsspiel ohne Abseits und Gelbe/Rote Karten zu spielen. Schiedsrichter wären Fans des Heimvereins und die Spieldauer wäre nach der Laune der Fans bemessen.
Dieses, zugegeben sehr überspitzt formulierte Beispiel soll veranschaulichen, warum es wichtig ist, sich einem sportlichen und organisatorischen Regelwerk zu unterziehen.
Der 1/10 Man in Vösendorf fand letztes Wochenende statt und ging, sofern ich das aus der Ferne betrachten konnte, gut über die Bühne. Was genau die Veranstalter dazu bewogen hat, sich von den Vorgaben des Verbandes loszusagen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Eine unüberlegte Trotzreaktion kann ich mir persönlich nicht vorstellen, denn leichtfertig geht ein Veranstalter mit dieser Erfahrung diesen Schritt nicht. Meinem Vernehmen nach waren es auch logistische Gründe, die den Veranstalter zu diesem Schritt zwangen.
Nun verfasste der Niederösterreichische Triathlonverband nach dem Event in einem Facebook-Post eine deutliche Distanzierung von den Geschehnissen in Vösendorf und stichelte dabei, vielleicht auch etwas unbedarft, in eine längst geschlossen geglaubte Wunde.
Zeiten, wo sich große Veranstalter mit den Verbänden verworfen haben, teils unterschiedliche Regelwerke exekutierten, wovon niemand profitierte, sollten ein für alle Mal der Vergangenheit angehören. Die Distanzierung von 1/10 Man erfolgte ohnehin schon, da man die Genehmigung nicht erteilte. In den meisten Punkten teile ich die Meinung des NÖTRV, doch bei einem Punkt bin ich mir nicht so sicher.
Auch wenn ich nicht persönlich vor Ort war. Die Kommunikation im Vorfeld und die Bilder, die ich vom Geschehen gesehen habe, weisen auf eine vorbildliche Durchführung und Einhaltung eines Hygienekonzepts hin. So fair muss man sein. Es gab keinen Triathlon, wo ich bisher war, wo alles zu 100 Prozent eingehalten werden konnte, so wird es bestimmt auch in Vösendorf gewesen sein.
Doch der Wille, ein sicheres Rennen für die Teilnehmer zu bieten, war mit Sicherheit auch in Vösendorf da und scheint, wie wir alle hoffen, auch gelungen zu sein.
Dennoch stören mich zwei Dinge und wer mich kennt, weiß, dass ich ehrlich und direkt bin.
Ich finde es schade, dass die Triathlonszene und die Veranstalterszene nicht an einem Strang zieht, gerade in diesen für uns alle so schweren Zeiten. Vieles wäre einfacher gewesen, wenn auch dieses Rennen unter den offiziellen Regeln stattgefunden hätte – die letzten Wochen haben gezeigt, dass sie im Grunde gut funktionieren. Ich würde bei meiner Veranstaltung nichts lieber machen als einen normalen Massenstart, aber ich halte mich an die Vorgaben. Einerseits, weil ich sie gerade in dieser sensiblen Phase für wichtig erachte, andererseits auch aus Solidarität mit jenen Veranstaltern, die dieses komplizierte und wohl auch etwas kostspieligere Konzept bisher umgesetzt und damit nach außen hin auch Einigkeit demonstriert haben.
Die zweite Sache, die mich sogar noch wesentlich mehr stört, ist der Stellvertreterkrieg, der auf Social Media abgeht. Die unreflektierte und unüberlegte Verdammung eines Verbandes, dem es „eh nur um das Kassieren von Lizenzgebühren“ geht, hängt mir persönlich zum Hals heraus. Die meisten Verfasser dieser Posts haben wenig Ahnung, was es bedeutet, Verantwortung zu tragen, und das meist sogar ehrenamtlich. Dass mit Lizenzgebühren Kampfrichter oder Jugendtrainingslager finanziert werden, dass man ein ausgearbeitetes Regelwerk und hohe Veranstaltungsstandards hat. Nein, im Verband läuft längst nicht alles perfekt, in keinem. Aber in knapp 30 Jahren Erfahrung in verschiedensten Sportarten und Ländern kann ich eines sagen – wir können in Österreich von Glück reden, einen stabilen und soliden Verband zu haben.
Ich appelliere daher an alle Sportler, an alle Veranstalter. Lasst Solidarität, speziell in diesen schweren Zeiten, nicht nur ein Wort sein. Lebt sie – seid solidarisch mit Veranstaltern, die zum Teil ums Überleben kämpfen, aber seid auch solidarisch mit einem Verband, der nichts Böses im Sinn hat, wenn er Regeln aufstellt, die man nicht gut finden muss, aber die schon gut überlegt sind. Denn nur so werden wir hoffentlich wieder eine gute und hoffentlich „normale“ Triathlonsaison 2021 erleben können.